Ratgeber Verkehrsrecht – Das ist zu tun!

Unfall, Schadensersatz, Rotlicht, Kaufvertrag, Bußgeld

Frau tippt auf Tastatur

Das Verkehrsrecht gehört zu einem der wichtigen Themenbereiche und beschäftigt uns alle nahezu täglich. Jeder Verkehrsteilnehmer weiß, dass er ständig der Gefahr eines Unfalles ausgesetzt ist.

Daher ist es umso wichtiger, dass man seine Rechte kennt, um diese auch richtig wahrzunehmen.

Nachfolgende Auflistung gibt Ihnen einen ersten Überblick über Ihre Rechte und wie Sie sie am besten durchsetzen.

Die Auflistung wird ständig aktualisiert und nimmt die neueste Rechtsprechung auf. Wenn Sie also für ihren Fall nicht fündig werden, so lohnt es sich regelmäßig diese Seite zu besuchen.

Haftungsrecht: Fahrzeugschaden in der Waschanlage – Kunde muss auf Besonderheiten seines Fahrzeugs hinweisen

Haftungsrecht: Fahrzeugschaden in der Waschanlage – Kunde muss auf Besonderheiten seines Fahrzeugs hinweisen

| Eine Portalwaschanlage muss nicht für sämtliche Fahrzeugtypen geeignet sein. Weist ein Kunde, trotz eines Hinweises in den AGB des Waschanlagenbetreibers, nicht auf Besonderheiten an seinem Fahrzeug hin, die zu einer Beschädigung führen können, haftet der Betreiber nicht für die am Fahrzeug entstandenen Schäden. |

Das entschied das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg. In dem betreffenden Fall handelte es sich bei dem Fahrzeug um einen über 2 m hohen Mercedes G 500 mit einem an der Hecktür angebrachten Reserverad. Beim Waschvorgang blieb eine Bürste unter dem Reserverad hängen und hob das Fahrzeug an. Dabei soll die Hecktüraufhängung verbogen worden sein. Nach Nr. 2 der AGB des Betreibers, die gut sichtbar ausgehängt waren, wäre der Mercedes-Fahrer verpflichtet gewesen, vor der Benutzung der Anlage auf alle ihm bekannten Umstände hinzuweisen, die zu einer Beschädigung des Fahrzeugs oder der Waschanlage führen konnten.

Da er dies nicht getan hatte, und die Anlage technisch in Ordnung war (57 weitere Fahrzeuge wurden an diesem Tag ohne Probleme gewaschen), ging er leer aus. Das Gericht musste daher nicht einmal entscheiden, ob die Schäden in der Waschanlage entstanden waren.

Quelle | Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 3.3.2014, 237 C 288/13, Abruf-Nr. 142078 unter www.iww.de.

Mietwagen: Gehbehindert: Mietwagen auch bei weniger als 20 km am Tag

Mietwagen: Gehbehindert: Mietwagen auch bei weniger als 20 km am Tag

| Die Faustregel, dass der Geschädigte bei einer Mietwagennutzung von unter 20 km/Tag unter Umständen auf ein Taxi verwiesen werden kann, ist keine starre Grenze, sondern jeweils am Einzelfall zu beurteilen. |

So entschied es das Amtsgericht Lüdinghausen im Fall eines Unfallgeschädigten, der schwer gehbehindert war. Sein Schwerbehindertenausweis wies die Stufe G80 aus. Er ist Witwer und führt seinen Haushalt allein im eigenen Haus. Zudem ist er ehrenamtlich in der örtlichen Kommunalpolitik engagiert und deshalb mehrmals täglich auf die Nutzung eines Pkw für Kurzstrecken innerhalb des Gemeindegebiets angewiesen. An seinem Wohnort ist kein Taxi-Unternehmen ansässig. Der Versicherer lehnte eine Übernahme der Mietwagenkosten wegen Unterschreitung der 20 km/Tag ab.

Das Gericht hat aber genauer hingeschaut. Manchmal, so das Gericht, komme es auf die Verfügbarkeit des Fahrzeugs an. Insbesondere dort, wo kein Taxiunternehmer ansässig ist, seien die Wartezeiten auf das Taxi unzumutbar, wenn es nur um kurze zu überwindende Strecken gehe. Genauso hat auch das Amtsgericht Oranienburg entschieden. Bei einer nachgewiesenen Gehbehinderung komme es auf den Kilometerverbrauch mit dem Mietwagen nicht an.

Quelle | Amtsgericht Lüdinghausen, Urteil vom 17.9.2014, 12 C 37/14, Abruf-Nr. 143571; Amtsgericht Oranienburg, Urteil vom 18.12.2014, 21 C 197/14, Abruf-Nr. 143617 unter www.iww.de.

Verkehrssicherungspflicht: Hobelspäne sind ungeeignete Streumittel bei glatten Gehwegen

Verkehrssicherungspflicht: Hobelspäne sind ungeeignete Streumittel bei glatten Gehwegen

| Hobelspäne ohne abstumpfende Wirkung sind keine geeigneten Streumittel für einen eisglatten Gehweg. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in dem Schadenersatzprozess einer auf einem eisglatten Gehweg gestürzten Fußgängerin festgestellt. Entsprechend hat es die für die Verkehrssicherungspflicht Verantwortlichen zum Schadenersatz verurteilt. Die im Jahre 1954 geborene Klägerin stürzte im Januar 2011 auf dem Gehweg vor einem Haus. Den eisglatten Gehweg hatte die Mieterin mit Hobelspänen abgestreut. Bei dem Sturz brach sich die Klägerin einen Oberarm. Ihre Verletzung musste in der Folgezeit operiert werden. Im vorliegenden Prozess verlangt sie die Feststellung, dass Mieterin und Vermieter verpflichtet sind, ihr die durch den Sturz verursachten, derzeit noch nicht näher zu beziffernden Schäden zu ersetzen. Vermieter und Mieterin haben gemeint, ihrer winterlichen Streupflicht mit dem Aufbringen der Hobelspäne genügt zu haben. Die Mieterin hatte zudem geltend gemacht, dass ihre Streumittel aufgrund der seit Dezember 2010 herrschenden extremen winterlichen Verhältnisse seinerzeit aufgebraucht und andere Streumittel nicht mehr zu erwerben gewesen seien.

Die Richter am OLG entschieden, dass Mieterin und Vermieter verpflichtet seien, der Klägerin 50 Prozent des ihr durch den Sturz auf dem Gehweg entstandenen Schadens zu ersetzen. Die Klägerin habe nachgewiesen, dass sie auf dem glatten Bürgersteig vor dem Haus der beiden ausgerutscht und gestürzt sei. Die Glätte beruhe auf einem verkehrswidrigen Zustand des Gehwegs, für den Mieterin und Vermieter verantwortlich seien.

Die Mieterin habe nach dem Mietvertrag den Winterdienst zu erledigen gehabt. Diese Pflicht habe sie mit dem Streuen der Hobelspäne verletzt. Nach den Feststellungen des vom Gericht gehörten Sachverständigen hätten die verwandten Hobelspäne keine abstumpfende Wirkung gehabt. Sie hätten sich mit Feuchtigkeit vollgesaugt und seien so zu einer Art Eisflocken mit Rutscheffekt geworden. Sie seien deswegen als Streumittel ungeeignet gewesen. Das hätte die Mieterin durch eine Untersuchung vor Ort leicht feststellen können. Sie könne sich auch nicht darauf berufen, keine anderen Streumittel zur Verfügung gehabt zu haben. Sie habe nämlich nicht konkret dargetan, in welchem Umfang sie sich zuvor bevorratet, und wo sie vergeblich Streugut zu beschaffen versucht habe.

Der Vermieter hafte ebenfalls. Ihr sei der Einsatz der Hobelspäne bekannt gewesen. Damit habe sie die ihr insoweit obliegende Aufsichts- und Kontrollpflicht verletzt.

Die Schadenersatzverpflichtung von Mieterin und Vermieter bestehe jedoch nur in einem reduzierten Umfang, weil die Klägerin zu 50 Prozent für den Unfall mitverantwortlich sei. Sie habe eine erkennbar glatte Stelle betreten und sei gestürzt, nachdem sie zuvor den als vereist erkannten Gehweg gemieden habe und auf dem freigeregneten Bereich der Fahrbahn gegangen sei. Zwar sei sie wegen eines Pkw kurz vor dem Unfall von der Fahrbahn auf den Gehweg gewechselt. Zu ihrem Eigenschutz wäre es aber geboten gewesen, die Vorbeifahrt des Pkw am Fahrbahnrand abzuwarten und den Weg erst dann auf dem freigeregneten Bereich der Fahrbahn fortzusetzen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 24.11.2014, 6 U 92/12, Abruf-Nr. 143815 unter www.iww.de.

Ordnungswidrigkeit: Reduzierung der Geldbuße bei einem Überholverstoß

Ordnungswidrigkeit: Reduzierung der Geldbuße bei einem Überholverstoß

| Weist die polizeiliche Anzeige für einen Überholverstoß Besonderheiten aus, so kann die für den Verstoß vorgesehene Regelgeldbuße aufgrund wesentlicher Besonderheiten des Sachverhalts reduziert werden. |

Diesen Hinweis gab das Amtsgericht Lüdinghausen in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren. Die zur Reduzierung der Geldbuße führenden Besonderheiten hat das Gericht darin gesehen, dass der Betroffene einen Lkw überholt hatte, der während des Überholens den Seitenstreifen einer Bundesstraße befuhr, um für den Betroffenen „Platz“ zu machen. Auch das sei zwar ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung. Es handele sich aber um ein „atypisches Überholen“, das die Reduzierung der Geldbuße rechtfertige.

Quelle | AG Lüdinghausen, Beschluss vom 2.10.2014, 19 OWi-89 Js 1437/14-146/14, Abruf-Nr. 143352 unter www.iww.de.

Mobiltelefon: Bloße Ortsveränderung ist kein Benutzen

Mobiltelefon: Bloße Ortsveränderung ist kein Benutzen

| Vom möglichen Wortsinn des Terminus „Benutzen“ ist die bloße Ortsveränderung eines Mobiltelefons nicht mehr gedeckt, weil eine solche Handlung keinen Bezug zur Funktionalität des Geräts aufweist. |

Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Köln und sprach eine Autofahrerin vom Vorwurf frei, ein Handy während der Fahrt genutzt zu haben. Die Frau hatte während der Fahrt ein eingeschaltetes Mobiltelefon in ihrer Handtasche. Als dieses klingelte, versuchte der mitfahrende Sohn es in der Handtasche zu finden und herauszunehmen. Da ihm dies nicht gelang, reichte er die Tasche mit dem Handy an die Frau. Diese suchte – während sie die Fahrt als Führerin des Fahrzeugs fortsetzte – in der Tasche nach dem Handy, ergriff es und reichte es an ihren Sohn.

Entsprechend der Einlassung der Frau hat das Gericht unterstellt, dass sie vor der Weitergabe des Handys nicht auf das Display schaute. Der Sohn nahm dann das Gespräch entgegen. Darin konnten die Richter noch keine Benutzung im Sinne des Gesetzes erkennen. Es entspreche allgemeiner Meinung in der Rechtsprechung, dass keine Ordnungswidrigkeit vorliege, wenn das Mobiltelefon lediglich aufgenommen werde, um es andernorts wieder abzulegen.

Hinweis | Die Rechtsprechung zum Verbot von Mobil- oder Autotelefonen während der Fahrt ist mittlerweile sehr unübersichtlich. Oft kommt es auf Kleinigkeiten an. Weglegen des klingelnden Handys, ohne auf das Display zu schauen, ist straflos. Weglegen und schauen wäre dagegen ein Verstoß. Ein kleiner, aber feiner Unterschied.

Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 7.11.2014, 1 RBs 284/14, Abruf-Nr. 143610 unter www.iww.de.

OWI-Recht: Bremsscheibenkontrolle ist vor Fahrtantritt nicht erforderlich

OWI-Recht: Bremsscheibenkontrolle ist vor Fahrtantritt nicht erforderlich

| Ein Lkw-Fahrer ist nicht verpflichtet, vor dem Fahrtantritt eine Sichtkontrolle der Bremsscheiben vorzunehmen. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf und sprach einen Lkw-Fahrer von einem entsprechenden Vorwurf frei. Die Richter machten deutlich, dass der Fahrer grundsätzlich für die Vorschriftsmäßigkeit und Verkehrssicherheit seines Fahrzeugs verantwortlich sei. Er müsse dies deshalb vor Beginn der Fahrt im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren überprüfen. Hierzu gehöre auch, dass ein Lkw-Fahrer die Bremsanlage durch Bremsproben überprüfe. Habe er eine derartige Bremsprobe vor der Fahrt durchgeführt, habe er alles Notwendige unternommen. Die Prüfanforderungen würden überspannt, wenn von ihm verlangt werde, jeweils vor Fahrtantritt die Bremsscheiben des Lastzugs durch die Löcher in den Felgen einer Sichtkontrolle auf Risse zu unterziehen. Eine Ausnahme bestehe lediglich in den Fällen, in denen ein besonderer Anlass zu einer Sichtkontrolle der Bremsscheiben vorliege. Unterlasse er dann die Kontrolle, könne ihm ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall gewesen, sodass der Lkw-Fahrer freizusprechen gewesen sei.

Quelle | OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.1.2014, 3 RBs 11/14, Abruf-Nr. 143664 unter www.iww.de.

OWi-Recht: Geschwindigkeitsbegrenzung mit Zusatzschild „Schneeflocke“ gilt auch, wenn es nicht schneit

OWi-Recht: Geschwindigkeitsbegrenzung mit Zusatzschild „Schneeflocke“ gilt auch, wenn es nicht schneit

| Das Zusatzschild „Schneeflocke“ zu einer Geschwindigkeitsbegrenzung erlaubt auch bei nicht winterlichen Straßenverhältnissen keine höhere als die angeordnete Geschwindigkeit. |

Das hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm entschieden. Betroffen war ein Autofahrer, der mit seinem Pkw in Burbach die B 54 befuhr. Am Tattage begrenzte ein elektronisch gesteuertes Verkehrszeichen die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h. Unter diesem Verkehrszeichen war – ohne weitere Zusätze – das Zusatzschild „Schneeflocke“ angebracht. Bei einer polizeilichen Geschwindigkeitskontrolle fiel der Betroffene auf, weil er mit seinem Fahrzeug 125 km/h fuhr. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung ahndete das Amtsgericht, der Bußgeldkatalogverordnung entsprechend, mit einer Geldbuße von 160 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot. Der Betroffene hat Rechtsbeschwerde eingelegt und u. a. gemeint, dass ihm keine Geschwindigkeitsüberschreitung von 45 km/h angelastet werden könne, weil keine winterlichen Straßenverhältnisse geherrscht hätten. Die mit dem Zusatzschild „Schneeflocke“ angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h sei deswegen zumindest irreführend gewesen.

Die vom Betroffenen gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde ist erfolglos geblieben. Der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Das eine „Schneeflocke“ darstellende Zusatzschild enthalte bei sinn- und zweckorientierter Betrachtungsweise lediglich einen – entbehrlichen – Hinweis darauf, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung Gefahren möglicher winterlicher Straßenverhältnisse abwehren solle. Mit diesem Hinweis solle die Akzeptanz der angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung erhöht werden. Der Hinweis bezwecke nur die Information der Verkehrsteilnehmer und enthalte – anders als das Schild „bei Nässe“ – keine zeitliche Einschränkung der angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Kraftfahrer müssten die, die Geschwindigkeit begrenzende, Anordnung daher auch bei trockener Fahrbahn beachten.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 4.9.2014, 1 RBs 125/14, Abruf-Nr. 143088 unter www.iww.de.

Standgeld: Kein Standgeld bei Sicherstellung des Unfallfahrzeugs für Polizei

Standgeld: Kein Standgeld bei Sicherstellung des Unfallfahrzeugs für Polizei

| Ein Abschleppunternehmer, der im Auftrag der Polizei ein Fahrzeug nach einem Unfall sicherstellt und verwahrt, hat nach Aufhebung der Sicherstellungsmaßnahme keinen Anspruch auf Standgeld gegenüber dem Fahrzeughalter. |

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf begründete seine Entscheidung damit, dass es schlichtweg an einer Anspruchsgrundlage fehle. Denn das Fahrzeug wurde nicht für den Halter verwahrt, sondern aufgrund einer ordnungsrechtlichen Maßnahme für die öffentliche Hand.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.2.2014, I-1 U 86/13, Abruf-Nr. 143226 unter www.iww.de.

Autokauf: Rückabwicklung des Verkaufs eines geerbten Kfz

Autokauf: Rückabwicklung des Verkaufs eines geerbten Kfz

| Der Verkäufer haftet nur auf Schadenersatz, wenn ihn ein Verschulden trifft. Das kann fehlen, wenn er das Fahrzeug geerbt und daher keine Kenntnis von dem Unfallschaden hatte. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz im Rechtsstreit über die Rückabwicklung eines Autokaufs. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass das Wissen des Erblassers dem Erben nach den erbrechtlichen Gesetzesvorschriften nicht zugerechnet werden könne. Ihn treffe daher kein Verschulden, das zu einer Rückabwicklung wegen falscher Angaben im Kaufvertrag führen könne.

Quelle | OLG Koblenz, Urteil vom 5.6.2014, 5 U 408/14, Abruf-Nr. 143118 unter www.iww.de.

Haftungsrecht: Stadt haftet für Pkw-Beschädigung bei unzureichender Baumkontrolle

Haftungsrecht: Stadt haftet für Pkw-Beschädigung bei unzureichender Baumkontrolle

| Eine Stadt schuldet dem Halter eines durch einen herabstürzenden Ast beschädigten Pkw Schadenersatz, wenn sie eine ausreichende Stabilitätskontrolle des Baumes versäumt hat. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Autofahrers entschieden. Dieser hatten seinen Pkw in einer Parkbucht abgestellt. Im Verlauf des Tages brach ein Ast von der am Straßenrand stehenden Linde ab und beschädigte den Pkw. Der Mann verlangte von der Stadt Schadenersatz in Höhe von ca. 4.700 EUR. Er meinte, die Stadt habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt, weil sie den Baum nicht hinreichend kontrolliert habe. Die Stadt hält die zweimal im Jahr durchgeführte Sichtkontrolle für ausreichend.

Die Klage hatte Erfolg. Die Richter am OLG haben eine schuldhafte Amtspflichtverletzung der Stadt festgestellt und sie zum Schadenersatz verurteilt. Sie habe gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen, weil sie die Stabilität des Baumes unzureichend kontrolliert habe. Zur Abwehr der von Bäumen ausgehenden Gefahren müsse eine Stadt die Maßnahmen treffen, die zum Schutz gegen Astbruch und Windwurf erforderlich seien. Allerdings müssten diese unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestands der öffentlichen Hand auch zumutbar sein. In der Regel genüge eine regelmäßige Sichtprüfung. Eine eingehendere fachmännische Untersuchung sei aber vorzunehmen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für eine mangelhafte Stabilität des Baumes gebe. Vorliegend seien die Kontrollen nicht ausreichend gewesen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen habe die Linde konkrete Anzeichen für eine besondere Gefährdung aufgewiesen, die eine intensivere Kontrolle erfordert hätten. Die Linde habe einen ungünstigen Standort, weil sie an der Straßenecke besonders dem Wind ausgeliefert sei. Sie habe eine grob beastete, von der Hauswand weggeneigte, sehr kopflastige Krone entwickelt, die ein Stabilitätsrisiko sei. Hinzu komme, dass sie als mittelstark bis stark geschädigt einzustufen sei. Die Linde weise eine überdurchschnittliche Menge an Totholz auf und habe einen ihre Vitalität beeinträchtigenden Stammschaden. Sie hätte deswegen weitergehend als von der Stadt veranlasst kontrolliert werden müssen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 31.10.2014, 11 U 57/13, Abruf-Nr. 143663 unter www.iww.de.

Ausfallschaden: Neun Tage Mietwagen plus vier Monate Nutzungsausfall

Ausfallschaden: Neun Tage Mietwagen plus vier Monate Nutzungsausfall

| Fehlen dem Geschädigten die finanziellen Mittel, ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen, muss der Versicherer für den gesamten Zeitraum bis zu seiner Zahlung für den Ausfallschaden einstehen.  |

Das hat das Landgericht (LG) Bamberg einem Versicherer ins Stammbuch geschrieben. Die Geschädigte hatte eine Putzstelle, der Ehemann war arbeitslos, zwei Kinder waren zu versorgen. Zwar ging es „nur“ um einen Wiederbeschaffungsaufwand von 1.600 EUR. Aber dass auch dieses Geld nicht zur Verfügung stand, hat das Gericht unter den gegebenen Umständen als selbstverständlich betrachtet. Die Geschädigte hatte aber den Versicherer nicht gewarnt. Erst als sie einen Anwalt einschaltete – da waren schon mehr als drei Monate verstrichen – wurde die Warnung nachgeholt. Prompt hatte der Versicherer im Prozess eingewandt, er sei ja nicht von Anfang an gewarnt gewesen. Das half ihm jedoch ausnahmsweise nichts, denn auch nach der Warnung hatte er sich noch 22 Tage Zeit gelassen, bis er wenigstens teilweise zahlte. Daraus schloss das Gericht, dass er auch bei sofortiger Warnung nicht schneller gezahlt hätte.

Praxishinweis | Bei drohender Schadenerweiterung wegen fehlender finanzieller Mittel muss der Versicherer vom Geschädigten gewarnt werden. Sinn dieser Vorschrift ist, dass der Versicherer durch eine schnellere Erledigung den erhöhten Schaden abwenden können soll. Insoweit hat die Geschädigte im Urteilsfall Glück gehabt. Eine professionelle Bearbeitung von Anfang an wäre jedoch bei Weitem sicherer gewesen.

Quelle | LG Bamberg, Urteil vom 18.8.2014, 2 O 23/14, Abruf-Nr. 143003 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Abbieger von Feldweg auf Bundesstraße haftet bei Unfall voll

Unfallschadensregulierung: Abbieger von Feldweg auf Bundesstraße haftet bei Unfall voll

| Wer aus einem Feldweg auf eine Bundesstraße abbiegt, haftet im Falle eines Unfalls voll. Ein Mitverschulden des Unfallgegners aus Betriebsgefahr ist ausgeschlossen. |

Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Landgericht (LG) Coburg. Geklagt hatte ein Autofahrer, der mit 100 Kilometern pro Stunde auf einer Bundesstraße unterwegs war. Als der Beklagte mit seinem Fahrzeug aus einem Feldweg auf die Bundesstraße auffuhr, kam es zur Kollision. Der Kläger hielt das gegnerische Fahrzeug für allein verantwortlich. Er wollte deshalb seinen Schaden von dem Gegner und dessen Versicherung ersetzt haben. Der beklagte Unfallgegner und seine Versicherung räumten im Laufe des Prozesses den Unfallhergang ein. Die Beklagten meinten aber, der Kläger hätte nicht darauf vertrauen können, dass das gegnerische Fahrzeug vor der Einfahrt wartet. Das sah das LG jedoch anders. Die Richter stellten fest, dass der Beklagte für den Unfall voll verantwortlich sei. Er habe das Vorfahrtsrecht des Klägers missachtet. Dieser Fehler wiege so schwer, dass auch die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs völlig zurücktrete.

Quelle | LG Coburg, Urteil vom 31.5.2013, 13 O 505/12, rkr., Abruf-Nr. 143479 unter www.iww.de.

Unfallschadensregulierung: Oberlandesgericht Hamm klärt Vorfahrtsregel auf Zufahrtsstraßen von Parkplätzen

Unfallschadensregulierung: Oberlandesgericht Hamm klärt Vorfahrtsregel auf Zufahrtsstraßen von Parkplätzen

| Auf öffentlichen Parkplätzen kann der fließende Verkehr – ausnahmsweise – auf ein Warten des aus einem Stellplatz ein- oder ausfahrenden Verkehrsteilnehmers vertrauen, wenn die Fahrspuren zwischen den Parkplätzen Straßencharakter haben und vorrangig der Zu- und Abfahrt von Fahrzeugen dienen. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Lkw-Eigentümers entschieden. Dessen Fahrer befuhr auf dem an der BAB 44 gelegenen Rastplatz Eringerfeld in Geseke den zur Autobahnauffahrt führenden Zufahrtsweg. An diesen grenzen rechtsseitig ca. 18 schräg angeordnete Lkw-Stellplätze, von denen die Einfahrt in die Zufahrtsstraße möglich ist. Auf dem letzten Stellplatz rangierte der Lastzug der beklagten Transportfirma aus Bautzen. Beide Lastzüge stießen zusammen, als der klägerische Lastzug den Lastzug der Beklagten passierte. Vorprozessual hat die Haftpflichtversicherung der Beklagten den Schaden auf der Grundlage einer 50-prozentigen Haftungsquote reguliert. Im Prozess hat der Kläger geltend gemacht, er könne 100 Prozent seines Schadens ersetzt verlangen, und hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer ca. 12.000 EUR begehrt.

Das OLG hat dem Kläger recht gegeben. Auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung anzuwenden. Parkplätze dienten dem ruhenden Verkehr. Deswegen treffe der Ein- oder Ausparkende in der Regel nicht auf fließenden Verkehr, sondern auf Benutzer der Parkplatzfahrbahn. Im Verhältnis dieser Verkehrsteilnehmer gelte kein Vertrauensgrundsatz zugunsten eines „fließenden“ Verkehrs gegenüber einem dann wartepflichtigen Ein- oder Ausfahrenden.

Etwas anderes könne aber anzunehmen sein, wenn die zwischen den Parkplätzen angelegten Fahrspuren eindeutig Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen, sondern der Zu- und Abfahrt dienten. Handele es sich um eine baulich größer und breiter ausgestaltete Zufahrtsstraße, könne § 10 Straßenverkehrsordnung zur Anwendung kommen. Nach dieser Vorschrift sei von dem Ausparkenden zu verlangen, sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen sei. Einem fließenden Verkehr auf der Zufahrtsstraße habe er deswegen Vorrang einzuräumen. Den Charakter einer derartig bevorrechtigten Zufahrtsstraße habe der Zufahrtsweg, auf dem die Lastzüge der Parteien kollidiert seien. Der beklagte Lastzug sei deswegen gegenüber dem klägerischen Lastzug wartepflichtig gewesen. Da sich ein Verschulden des klägerischen Fahrers nicht feststellen lasse, sei es angesichts des schwerwiegenden Verschuldens des Fahrers der Beklagten gerechtfertigt, allein die Beklagte für den Unfall haften zu lassen.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 29.8.2014, 9 U 26/14, Abruf-Nr. 142917 unter www.iww.de

Sachverständigenhonorar: Handlingkosten: Wenn die Werkstatt den Gutachter unterstützt

Sachverständigenhonorar: Handlingkosten: Wenn die Werkstatt den Gutachter unterstützt

| Muss das beschädigte Fahrzeug für eine ordnungsgemäße Besichtigung durch den Schadengutachter auf eine Hebebühne und wird diese samt Bedienpersonal von der Werkstatt gestellt, darf die Werkstatt dafür „Handlingkosten“ berechnen. |

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht Leutkirch. Das Gericht geht davon aus, dass bei einer sorgfältigen Begutachtung, die seitens des Sachverständigen geschuldet ist, diese nicht innerhalb einer Viertelstunde erfolgen kann. Sie nimmt vielmehr längere Zeit in Anspruch. Zudem könne auch nicht ausschließlich die Zeit gerechnet werden, in der sich das Fahrzeug auf der Bühne befindet. Berücksichtigt werden müssten z. B. auch die Rangierzeiten. Es könne nicht erwartet werden, dass die Werkstatt hierfür kostenlos Personal zur Verfügung stelle. Im Ergebnis muss der Versicherer des Schädigers daher die entstandenen Kosten erstatten.

Quelle | AG Leutkirch, Urteil vom 4.11.2014, 2 C 125/14, Abruf-Nr. 143331 unter www.iww.de.

OWi-Recht: Telefonieren bei automatisch abgeschaltetem Motor erlaubt

OWi-Recht: Telefonieren bei automatisch abgeschaltetem Motor erlaubt

| Ein Fahrzeugführer darf sein Mobiltelefon im Auto benutzen, wenn das Fahrzeug steht und der Motor infolge einer automatischen Start-Stopp-Funktion ausgeschaltet ist. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Autofahrers entschieden, der mit seinem Pkw an einer Lichtzeichenanlage wegen Rotlichts anhalten musste. Während dieser Zeit war – was nicht zu widerlegen ist – der Motor seines Fahrzeugs aufgrund einer ECO Start-Stopp-Funktion ausgeschaltet. Außerdem nutzte der Betroffene sein Mobiltelefon, indem er es an sein Ohr hielt und sprach. Vom Amtsgericht wurde der Betroffene wegen verbotenen Telefonierens mit einem Handy zu einer Geldbuße von 40 EUR verurteilt.

Seine Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Die Richter sprachen ihn frei. Das in der Straßenverkehrsordnung normierte Verbot, ein Mobiltelefon zu benutzen, gelte nicht, so der Senat, wenn das Fahrzeug stehe und der Motor ausgeschaltet sei. Dabei differenziere der Gesetzeswortlaut nicht zwischen einem automatisch und einem manuell abgeschalteten Motor. Ebenso wenig stelle die Vorschrift darauf ab, dass ein Motor nur dann abgeschaltet sei, wenn zu dessen Wiedereinschalten die Zündvorrichtung bedient werden müsse. Deswegen sei ein Telefonieren auch bei einem automatisch abgeschalteten Motor zulässig, der durch das Betätigen des Gaspedals wieder in Gang gesetzt werden könne, wenn das Fahrzeug stehe. Durch die infrage stehende Verbotsvorschrift solle gewährleistet werden, dass dem Fahrzeugführer beide Hände für die eigentlichen Fahraufgaben zur Verfügung stünden. Stehe das Fahrzeug und sei der Motor nicht im Betrieb, fielen Fahraufgaben, wofür der Fahrzeugführer beide Hände benötigte, nicht an. Dabei mache es keinen Unterschied, ob der Motor zuvor durch den Fahrer mittels Betätigen der Zündung manuell oder durch Abbremsen bzw. dem Stillstand des Fahrzeugs automatisch abgeschaltet worden sei.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 9.9.2014, 1 RBs 1/14, Abruf-Nr. 143218 unter www.iww.de.

Überholverbot: Überholverbot verbietet auch die Fortsetzung des Überholvorgangs

Überholverbot: Überholverbot verbietet auch die Fortsetzung des Überholvorgangs

| Die Vorschriftzeichen 276 „Überholverbot für Kraftfahrzeuge aller Art“ und 277 „Überholverbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 t“ der Straßenverkehrsordnung verbieten nicht nur den Beginn, sondern grundsätzlich auch die Fortsetzung und die Beendigung eines bereits zuvor begonnenen Überholvorgangs innerhalb der Überholverbotszone. |

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Falle eines Lkw-Fahrers beschlossen. Dieser befuhr mit seinem Lkw die BAB 1. Im Bereich eines geltenden Überholverbots, angeordnet zunächst durch das Vorschriftzeichen 277 der Straßenverkehrsordnung und sodann durch das Vorschriftzeichen 276 der Straßenverkehrsordnung mit dem Zusatzzeichen 1049-13 (Geltung nur für Lkw, Busse und Pkw mit Anhänger), überholte der Betroffene mehrere auf dem rechten Fahrstreifen fahrende Fahrzeuge. Für diese Fahrweise erhielt er wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Überholverbot eine Geldbuße von 70 EUR. Die Geldbuße wollte der Betroffene nicht akzeptieren, unter anderem mit der Begründung, er habe den Überholvorgang vor Beginn der Überholverbotszone begonnen und danach mangels ausreichender Lücke zwischen den überholten Fahrzeugen nicht eher nach rechts einscheren können.

Seine Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Die Überholverbotszeichen der Straßenverkehrsordnung verbieten nach Ansicht des OLG nicht nur den Beginn, sondern auch die Fortsetzung und die Beendigung des Überholvorgangs innerhalb der Überholverbotszone. Ein bereits vor Beginn der Überholverbotszone eingeleiteter Überholvorgang müsse noch vor dem Verbotsschild abgebrochen werden. Wer sich bei Beginn der Überholverbotszone mit seinem Fahrzeug bereits schräg vor dem zu überholenden Fahrzeug befinde, zu diesem aber noch keinen hinreichenden Sicherheitsabstand gewonnen habe, sodass er vor dem überholten Fahrzeug einscheren könne, müsse das Überholmanöver ebenfalls abbrechen. Er müsse sein Fahrzeug gegebenenfalls verlangsamen und sich zurückfallen lassen. Das gelte auch im vorliegenden Fall. Der Betroffene hätte, wenn er tatsächlich den Überholvorgang noch vor Beginn der Überholverbotsstrecke begonnen haben sollte, beim Ansichtigwerden des ersten Überholverbotsschilds den Überholvorgang rechtzeitig abbrechen müssen. Den Fall, dass ein solcher Abbruch nicht gefahrlos möglich ist, hatte das OLG nicht zu entscheiden.

Quelle | OLG Hamm, Beschluss vom 7.10.14, 1 RBs 162/14, Abruf-Nr. 143257 unter www.iww.de.

Mietwagen: Anspruch auf einen Mietwagen auch wenn dieser weniger als 20 km pro Tag bewegt wird

Mietwagen: Anspruch auf einen Mietwagen auch wenn dieser weniger als 20 km pro Tag bewegt wird

| Fährt der Geschädigte mit dem Mietwagen weniger als 20 km pro Tag, kann der Mietwagenanspruch nicht einfach abgelehnt werden. Es ist zu fragen, warum der Geschädigte den Mietwagen dennoch benötigte. |

Hierauf wies das Landgericht (LG) Rostock hin. Ist die Ehefrau erkrankt und soll vorsichtshalber für unvorhergesehene Fahrten zum Arzt ein Fahrzeug verfügbar sein, ist das dem Gericht Grund genug. Schon der Bundesgerichtshof (BGH) hatte entschieden, dass Krankheitsfälle Grund genug sind, die reine Verfügbarkeit eines Fahrzeugs als erforderlich im schadenrechtlichen Sinne anzusehen.

Quelle | LG Rostock, Urteil vom 5.9.2014, 1 S 257/09, Abruf-Nr. 142973; BGH, Urteil vom 5.2.2013, VI ZR 290/11, Abruf-Nr. 130926 unter www.iww.de.

Standgeld: Standgeld bis zur Abholung durch den Restwertaufkäufer

Standgeld: Standgeld bis zur Abholung durch den Restwertaufkäufer

| Wenn die Werkstatt dem Geschädigten bis zur Abholung des Fahrzeugs durch den Restwertkäufer Standgeld berechnet, muss der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer diese Kosten erstatten. |

So entschied es das Landgericht (LG) Mannheim im Fall eines Unfallgeschädigten. Der Ver­sicherer hatte ihm vorgeworfen, beim Verkauf des Unfallfahrzeugs getrödelt zu haben. Das sahen die Richter jedoch nicht so. Werde das Unfallfahrzeug nicht an den Betrieb verkauft, bei dem es steht, sondern an einen im Gutachten oder vom Versicherer benannten Aufkäufer, muss der Geschädigte zwar sofort Kontakt mit diesem aufnehmen. Er hat jedoch keinen Einfluss darauf, wann der zur Abholung erscheint. Das LG sprach dem Geschädigten die Erstattung der Standkosten in voller Höhe zu. Ein nicht mehr fahrbereites Kraftfahrzeug könne nicht irgendwo auf der Straße abgestellt werden, sondern müsse untergestellt werden. Das sichere Unterstellen in einer Kfz-Werkstatt sei eine naheliegende und angemessene Maßnahme. Die dafür anfallenden Kosten seien auch erstattungsfähig. Dass sie diejenigen übersteigen, die für eine gewerbliche Abstellmöglichkeit, etwa in einem Parkhaus, angefallen wären, habe der Versicherer nicht konkret vorgetragen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es das Verschulden des Geschädigten gewesen sei, dass der Ankäufer den Unfallwagen nicht früher abgeholt hat.

Quelle | LG Mannheim, Urteil vom 18.8.2014, 5 O 12/14, Abruf-Nr. 143004 unter www.iww.de.

Abschleppkosten: Abschleppen durchaus auch bis zur Heimatwerkstatt

Abschleppkosten: Abschleppen durchaus auch bis zur Heimatwerkstatt

| Der Geschädigte darf bei Haftpflichtschäden das unfallbeschädigte Fahrzeug auch bis zur Heimatwerkstatt abschleppen lassen, wenn durch die Mehrkosten später erhöhte Abholkosten eingespart werden. |

Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München. Im Urteil heißt es dazu: „Die Schadensminderungspflicht gebietet auch nicht in jedem Fall die Abschleppung zur nächstgelegenen Reparaturmöglichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass dies hier insgesamt betrachtet wesentlich kostengünstiger gewesen wäre als die Abschleppung zur Reparaturwerkstätte in X. (= Heimatwerkstatt; Anmerkung der Redaktion). Immerhin wurden andererseits Kosten und Zeitaufwand einer Fahrzeugabholung vermieden. Auch das Interesse des Unfallgeschädigten, mögliche spätere Gewährleistungsansprüche möglichst ortsnah geltend machen zu können, ist berechtigt und zu berücksichtigen. Die Abwägung des Unfallgeschädigten mit dem Ergebnis, die Abschleppung nicht zur nächstgelegenen Reparaturmöglichkeit, sondern nach X. durchführen zu lassen, ist daher nicht zu beanstanden.“

Quelle | AG München, Urteil vom 6.10.2014, 322 C 27990/13, Abruf-Nr. 143049 unter www.iww.de.

Aktuelle Gesetzgebung: Weniger Einnahmen bei Lkw-Maut

Aktuelle Gesetzgebung: Weniger Einnahmen bei Lkw-Maut

| Bei der Lkw-Maut gibt es neue Preise. Einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes (18/2444) stimmte der Bundestag auf Beschlussempfehlung des Verkehrsausschusses (18/2857) zu. Danach werden die Mautsätze dem neuen Wegekostengutachten vom 25.3.2014 angepasst und somit billiger. |

Außerdem dient das Gesetz auch als Grundlage für eine eigene günstige Mautkategorie für die besonders schadstoffarmen Euro-VI-Lkw. Zudem werden die Kosten der Luftverschmutzung, die auf den Lkw-Verkehr zurückzuführen sind, in die Mautsätze eingerechnet. Dadurch ergeben sich im Zeitraum 2015 bis 2017 Mindereinnahmen gegenüber dem Finanzplan von rund 460 Millionen EUR. Dabei seien die zu erwartenden zusätzlichen Einnahmen aus der teilweisen Anlastung der Luftverschmutzungskosten bereits berücksichtigt.

Abgelehnt hat der Bundestag ebenfalls auf Empfehlung des Verkehrsausschusses (18/2875)
einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1620), nach dem die Lkw-Maut nachhaltig und ökologisch ausgerichtet werden sollte. Deshalb sollte die Bundesregierung die Berechnung der Lkw-Mautsätze auf eine neue Grundlage mit höherer ökologischer Lenkungswirkung stellen. Das eigentliche Ziel der Lkw-Maut sei, ausreichend Mittel zum Bau und Erhalt der Bundesfernstraßen zur Verfügung zu stellen und dabei eine ökologische und ökonomische Lenkungswirkung zu entfalten. Dieses Ziel werde durch die empfohlenen Mautsätze nach dem neuen Wegekostengutachten nicht erreicht. In Deutschland würden die externen Kosten für Unfälle, Lärm, Luftverschmutzung, Klimawandel und indirekte Auswirkungen geschätzte 88 Milliarden Euro pro Jahr betragen, die von der Gesamtgesellschaft getragen werden müssten.

Quelle | Deutscher Bundestag

Trunkenheit im Verkehr: 1,1-Promillegrenze gilt auch für Kutschfahrer

Trunkenheit im Verkehr: 1,1-Promillegrenze gilt auch für Kutschfahrer

| Der Grenzwert der Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille gilt auch für den Führer einer Pferdekutsche. |

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg im Fall des Führers einer Pferde­kutsche. Die Richter machten deutlich, dass der Kutscher ab einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille absolut fahruntüchtig sei. Sie zogen dabei den Vergleich mit einem Radfahrer, für den die Grenze bei 1,7 Promille angenommen wird. Der Kutscher müsse jederzeit in der Lage sein, auf sein Pferd einzuwirken, um die Kutsche zu lenken. Daher habe er eine deutlich schwierigere Aufgabe als der Radfahrer zu bewältigen. Die typischen Folgen des Alkoholkonsums würden bei ihm zudem die gleichen Auswirkungen haben, wie bei anderen Fahrzeugführern. Entsprechend müsse für den Kutscher auch die Promillegrenze von 1,1 gelten.

Quelle | OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.02.2014, 1 Ss 204/13, Abruf-Nr. 142816 unter www.iww.de.

Ausfallschaden: Werkstatt bestellt Ersatzteile erst nach Gutachteneingang

Ausfallschaden: Werkstatt bestellt Ersatzteile erst nach Gutachteneingang

| Wartet die Werkstatt ohne Absprache mit dem Geschädigten den Eingang des Gutachtens ab, bevor sie die Ersatzteile bestellt, obwohl der Reparaturauftrag längst vorliegt, geht diese Verzögerung nicht zulasten des Geschädigten. |

Das stellte das Amtsgericht Landshut klar. Nach dessen Ansicht trage auch in diesem Fall der Schädiger das Werkstattrisiko. Gestritten wurde nach einem Verkehrsunfall um einen unstreitigen Reparaturschaden. Der Geschädigte hatte den Reparaturauftrag sofort erteilt. Die Werkstatt hat aber erst den Eingang des Schadengutachtens abgewartet, bevor sie die Ersatzteile bestellt hat. Und das Gutachten hatte fünf Tage auf sich warten lassen. Der Versicherer meinte, die Teile hätten auch ohne das Gutachten bestellt werden können, also seien einige Tage Mietwagen nicht zu erstatten. Damit konnte er sich aber nicht durchsetzen.

Quelle | AG Landshut, Urteil vom 13.12.2013, 10 C 1632/13, Abruf-Nr. 142219 unter www.iww.de.

Schadenabwicklung: Scheckeinlösung ist kein Anerkenntnis der Kürzung

Schadenabwicklung: Scheckeinlösung ist kein Anerkenntnis der Kürzung

| Schickt der Versicherer auf eine Schadenersatzforderung hin einen Scheck mit einem im Verhältnis zur Forderung gekürzten Betrag und erläutert er in einem Begleitschreiben die Kürzung nur, erkennt der Geschädigte mit der Einlösung des Schecks nicht die Berechtigung der Kürzung an. |

Diese Entscheidung traf das Landgericht (LG) Zwickau. Wolle der Versicherer damit den Verzicht auf eine Nachforderung erreichen, müsse er ausdrücklich darauf aufmerksam machen. Er müsse unmissverständlich formulieren, dass in der Scheckübersendung ein Vergleichsangebot liegt, dass er auf eine ausdrückliche Annahme des Vergleichs verzichtet, und dass deshalb in der Scheckeinreichung die Annahme des Vergleichs liegt. Gleichzeitig müsse er dazu auf­fordern, den Scheck zurückzuschicken, wenn der Vergleich nicht angenommen werden solle.

Quelle | LG Zwickau, Urteil vom 25.4.2014, 6 S 103/13, Abruf-Nr. 142412 unter www.iww.de.

Schadenabwicklung: Ersatz eines alten Kfz-Kennzeichens ohne Europa-Kennung

Schadenabwicklung: Ersatz eines alten Kfz-Kennzeichens ohne Europa-Kennung

| Ein Autofahrer hatte einen unverschuldeten Heckunfall. Dabei wurde das Kennzeichen beschädigt. Es handelt sich um ein altes, also ohne Europa-Kennung. Die Zulassungsstelle vergibt aber nur noch Eurokennzeichen und die nur paarweise. Die gegnerische Versicherung weigert sich, die Kosten für das zweite, also vordere Kennzeichen, zu erstatten. Ist das
richtig? |

Unsere Antwort | Im Haftpflichtfall nein. Bei Haftpflichtschäden ist die Sache eindeutig: Ohne den Unfallschaden mit der Beschädigung des hinteren Kennzeichens müsste der Autofahrer kein vorderes Kennzeichen kaufen. Denn: Denkt man sich das schädigende Ereignis weg, gäbe es keine Notwendigkeit für einen neuen Nummernschild-Satz. Die Kosten für das vordere Kennzeichen muss der Versicherer also erstatten.

Beachten Sie | Bei Kaskoschäden sähe das anders aus. Da ist die Messlatte nicht die „hinterher wie vorher“-Doktrin. Vertraglich schuldet der Kaskoversicherer nur die Wiederherstellung oder den Ersatz der beschädigten Teile. Das vordere Kennzeichen ist aber nicht beschädigt.

Kreuzungsunfall: Auf das Blinklicht des Vorfahrtberechtigten kann nicht vertraut werden, es besteht eine Wartepflicht

Kreuzungsunfall: Auf das Blinklicht des Vorfahrtberechtigten kann nicht vertraut werden, es besteht eine Wartepflicht

| Wem ein Vorfahrtsverstoß zur Last fällt, trägt gegenüber demjenigen, dem ein miss­verständliches Verhalten vorzuwerfen ist, die Hauptverantwortung an einem Unfall. |

Diesen Grundsatz stellte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden auf. Der Entscheidung lag eine häufig auftretende Straßenverkehrssituation zugrunde. Ein grundsätzlich wartepflichtiger Verkehrsteilnehmer hatte auf das Blinklicht des Vorfahrtberechtigten vertraut und war auf die Vorfahrtstraße eingebogen. Beim Einbiegen in die vorfahrtberechtigte Straße kam es zum Zusammenstoß mit dem blinkenden Fahrzeug.

Die Richter machten deutlich, dass der Wartepflichtige nur dann auf ein Abbiegen des Vorfahrtberechtigten vertrauen dürfe, wenn über das bloße Betätigen des Blinkers hinaus eine zusätzliche Vertrauensgrundlage geschaffen worden sei. Diese müsse im Einzelfall zu der Annnahme des Wartepflichtigen geführt haben, das Vorrecht werde nicht mehr ausgeübt. Eine solche Vertrauensgrundlage könne z. B. in einer eindeutigen Herabsetzung der Geschwindigkeit oder aber in dem Beginn des Abbiegemanövers liegen. Nur dann könne darauf vertraut werden, dass der Vorfahrtberechtigte tatsächlich vor dem Wartepflichtigen abbiegt, mithin kein Vorfahrtrecht mehr zu beachten ist.

Im vorliegenden Fall ergab die Beweisaufnahme, dass der Vorfahrtberechtigte neben dem irreführenden Blinken seine Geschwindigkeit deutlich reduziert hatte. Das reichte den Richtern als besonderer zusätzlicher Umstand und führet im Ergebnis zu einer Haftungsquote von 70:30.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 20.8.2014, 7 U 1876/13, Abruf-Nr. 142815 unter www.iww.de.

Sachverständigenhonorar: Schadengutachten plus zwei Kopien sind zu erstatten

Sachverständigenhonorar: Schadengutachten plus zwei Kopien sind zu erstatten

Der Geschädigte hat Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Schadengutachten zuzüglich zweier Kopien.

So entschied es das Amtsgericht München. Es machte deutlich, dass der Geschädigte alle drei Exemplare benötigt. Eins für sich, ein Exemplar für seinen Rechtsanwalt und ein Exemplar, dass er an den Versicherer sendet. Der Versuch der Versicherung, die Kosten für die vom Schadengutachter mitgelieferten Zweitfertigungen nicht zu erstatten, hat damit nicht gefruchtet (AG München, 335 C 2231/14).

Ausfallschaden: Werkstatt bestellt Ersatzteile erst nach Gutachteneingang

Ausfallschaden: Werkstatt bestellt Ersatzteile erst nach Gutachteneingang

Wartet die Werkstatt ohne Absprache mit dem Geschädigten den Eingang des Gutachtens ab, bevor sie die Ersatzteile bestellt, obwohl der Reparaturauftrag längst vorliegt, geht diese Verzögerung nicht zulasten des Geschädigten. Denn das Werkstattrisiko trägt auch in diesem Fall der Schädiger.

Diese Klarstellung traf das Amtsgericht Landshut. An dem unfallbeschädigten Fahrzeug lag ein klarer Reparaturschaden vor. Der Geschädigte hatte den Reparaturauftrag sofort erteilt. Die Werkstatt hat aber erst den Eingang des Schadengutachtens abgewartet, bevor sie die Ersatzteile bestellt hat. Und das Gutachten hatte fünf Tage auf sich warten lassen. Der Versicherer meinte, die Teile hätten auch ohne das Gutachten bestellt werden können, also seien einige Tage Mietwagen nicht zu erstatten. Damit konnte er sich aber nicht durchsetzen (AG Landshut, 10 C 1632/13).

Unfallschaden: Erstattung der Kosten für farbangleichende Einlackierung

Unfallschaden: Erstattung der Kosten für farbangleichende Einlackierung

Sind im Gutachten zur Vermeidung von Farbabweichungen in Übereinstimmung mit den Herstellervorgaben Kosten für eine Einlackierung angrenzender Teile vorgesehen, muss der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer diese Kosten erstatten

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht Dortmund. Die Kosten der Beilackierung von Karosserieteilen seien nach Ansicht des Gerichts dann ersatzfähig, wenn diese technisch notwendig ist. In diesem Falle handele es sich bei diesen Kosten um einen Teil des Reparaturaufwands, der für die Behebung des Fahrzeugschadens erforderlich ist. Im vorliegenden Fall war von der technischen Notwendigkeit auszugehen. Der Sachverständige hatte die Beilackierung in seinem Gutachten explizit ausgewiesen. Er hatte hierzu vermerkt, dass davon auszugehen sei, dass ohne Durchführung einer Lackangleichung deutliche und augenscheinlich leicht erkennbare Farbunterschiede zu den angrenzenden Bauteilen erkennbar bleiben (AG Dortmund, 436 C 1027/13).

Autokauf: Keine Vollkaskoversicherung für Gebrauchtwagenvermittlung aus Gefälligkeit

Autokauf: Keine Vollkaskoversicherung für Gebrauchtwagenvermittlung aus Gefälligkeit

Übernimmt ein Autohaus aus bloßer Gefälligkeit die Vermittlung eines Gebrauchtfahrzeugs, kann der Auftraggeber nicht den Abschluss einer Vollkaskoversicherung auf Kosten des Vermittlers erwarten.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem aktuellen Fall. Allerdings könne nach Ansicht der Richter eine Pflicht zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung gegebenenfalls bestehen, wenn ein Fahrzeugeigentümer einen gewerblichen Autohändler gegen Entgelt (Provision) damit beauftragt, sein Fahrzeug auf dessen Firmengelände anzubieten und im Namen und für Rechnung des Auftraggebers zu verkaufen. Bei einer aus bloßer Gefälligkeit übernommenen Vermittlung eines Gebrauchtfahrzeugs durch ein Autohaus gelte jedoch, dass der Auftraggeber den Abschluss einer Vollkaskoversicherung auf Kosten des Vermittlers gerade nicht erwarte. Die Überwälzung der Versicherungspflicht auf den unentgeltlich tätigen Vermittler wäre unbillig und widerspräche dem Grundgedanken des Auftragsrechts (OLG Hamm, 7 U 77/13).

Überholverbot: Keine Erkundigungspflicht nach Fahrerwechsel

Überholverbot: Keine Erkundigungspflicht nach Fahrerwechsel

Der Bei- oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs ist grundsätzlich nicht verpflichtet, auf Verkehrsschilder zu achten. Nach einem Fahrerwechsel muss er sich regelmäßig nicht nach einem durch eine vorherige Beschilderung angeordnetem Überholverbot erkundigen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Mannes entschieden, der in dem von seiner Ehefrau gesteuerten Pkw mitfuhr. Auf dem Rücksitz befand sich das Kind. Als dieses unruhig wurde, übernahm der Mann das Steuer, damit seine Frau das Kind beruhigen konnte. Ungeachtet eines zuvor angeordneten Überholverbots überholte er sodann einen weiteren Pkw. Deswegen verurteilte ihn das Amtsgericht wegen der fahrlässigen Nichtbeachtung des Überholverbots zu einer Geldbuße von 87,50 EUR. Zur Begründung wies das Amtsgericht darauf hin, dass sich der Mann vor Fahrtantritt bei seiner Ehefrau nach den geltenden Verkehrsregelungen hätte erkundigen müssen.

Das sahen die Richter am OLG jedoch anders. Sie hoben das Urteil auf und verwiesen den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Als Bei- oder Mitfahrer in dem von seiner Ehefrau gesteuerten Fahrzeug sei der Mann nicht verpflichtet gewesen, auf die Verkehrszeichen zu achten. Zu diesem Zeitpunkt sei er kein Verkehrsteilnehmer gewesen. Ein besonders gelagerter Fall, bei dem etwa ein Fahrzeughalter als Beifahrer sein Fahrzeug einer fahruntüchtigen Person überlassen habe und deswegen auch für dessen Fahrweise mitverantwortlich sei, liege nicht vor. Zum Zeitpunkt des Fahrerwechsels sei das Überholverbotsschild für den Mann als Fahrer nicht mehr sichtbar gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich auch nicht bei seiner Ehefrau nach etwaig bestehenden besonderen Verkehrsregelungen erkundigen müssen. Für eine solche Verpflichtung gebe es keine Rechtsgrundlage. Würde man eine solche verlangen, gebe es zudem keine Gewähr für die Richtigkeit einer erhaltenen Auskunft. Wenn diese falsch sei und den Fahrzeugführer entlasten könne, bestehe die Gefahr, dass er im Vertrauen auf die Auskunft, die im Verkehr gewünschte gesteigerte Aufmerksamkeit vermissen lasse.

Hinweis: Anders sehe es jedoch aus, wenn der Betroffene die das Überholverbot anordnende Beschilderung hätte kennen müssen. Das sei z. B. der Fall, weil er die Straße zuvor schon häufiger oder gar regelmäßig befahren habe. Das muss das Amtsgericht nun klären (OLG Hamm, 1 RBs 89/14).

Lkw-Fahrer: Sichtkontrolle der Bremsscheiben vor der Fahrt ist nicht erforderlich

Lkw-Fahrer: Sichtkontrolle der Bremsscheiben vor der Fahrt ist nicht erforderlich

Der Fahrer eines Lkw braucht vor Fahrtantritt die Bremsscheiben keiner Sichtkontrolle zu unterziehen, sofern nicht ausnahmsweise ein besonderer Anlass dafür besteht.

Diese Entscheidung traf das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf im Fall eines Lkw-Fahrers, den das Amtsgericht u. a. wegen eines „fahrlässigen Verstoßes gegen die Vorschrift über Bremsen“ zu einer Geldbuße von 180 EUR verurteilt hatte.

Das OLG hat die Entscheidung aufgehoben. Die Richter verwiesen in ihrer Entscheidung darauf, dass der Fahrzeugführer nach der Straßenverkehrsordnung für die Vorschriftsmäßigkeit und Verkehrssicherheit seines Fahrzeugs verantwortlich sei. Davon müsse er sich jeweils vor Fahrtantritt im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren überzeugen. Insoweit sei der Führer eines Lkw nach Auffassung des OLG vor Antritt der Fahrt zwar grundsätzlich verpflichtet, die Bremsanlage durch Bremsproben zu überprüfen. Habe er jedoch eine derartige Bremsprobe vor der Fahrt durchgeführt, so überspanne nach Ansicht des OLG die Annahme einer darüber hinausgehenden Verpflichtung, jeweils vor Fahrtantritt die Bremsscheiben des Lastzugs durch die Löcher in den Felgen einer Sichtkontrolle auf Risse zu unterziehen, die Sorgfaltsanforderungen. Diese Verpflichtung treffe ihn nur, wenn er im konkreten Fall einen besonderen Anlass zu einer Sichtkontrolle der Bremsscheiben gehabt hätte. Nur dann könne ihm auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden (OLG Düsseldorf, IV-3 RBs 11/14).

Haftungsrecht: Haftungsquote beim Zusammenstoß zweier verkehrswidrig fahrender Radfahrer

Haftungsrecht: Haftungsquote beim Zusammenstoß zweier verkehrswidrig fahrender Radfahrer

Stößt eine Radfahrerin, die den Radweg einer bevorrechtigten Straße entgegen der Fahrtrichtung befährt, mit einem aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg einbiegenden Radfahrer zusammen, kann eine Haftungsquote von 2/3 zulasten des Radfahrers und 1/3 zulasten der Radfahrerin gerechtfertigt sein.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall einer 59-jährigen Radfahrerin entschieden, die auf dem Fahrradweg entgegen der Fahrtrichtung unterwegs war. Der seinerzeit 14 Jahre alte Beklagte kam mit seinem Fahrrad aus einem verkehrsberuhigten Bereich, um nach rechts auf den Radweg der Hauptstraße abzubiegen. Im Einmündungsbereich beider Straßen stießen die Fahrräder zusammen. Die Klägerin stürzte und zog sich einen Bruch des Schienbein- und des Wadenbeinkopfes zu. Vom Beklagten hat sie 100-prozentigen Schadenersatz verlangt und gemeint, er habe den Unfall allein verschuldet. Mit Radfahrern auf der bevorrechtigten Hauptstraße, die den Radweg in falscher Richtung befahren würden, habe er rechnen müssen.

Das sahen die Richter am OLG nicht ganz so. Sie sahen ein Mitverschulden der Klägerin und verteilten die Haftungsquote mit 2/3 zu ihren Gunsten und 1/3 zu ihren Lasten. Der Jugendliche habe, so das OLG, den Unfall zwar überwiegend verschuldet. Er habe gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Er hätte vom verkehrsberuhigten Bereich nur so auf die Hauptstraße einbiegen dürfen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Dem habe er nicht genügt, weil er die Klägerin durch sein unachtsames Einbiegen zu Fall gebracht habe. Die Klägerin treffe allerdings ein Mitverschulden, weil sie den Radweg entgegen der Fahrtrichtung benutzt und so ebenfalls gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen habe. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- bzw. Mitverschuldensbeiträge wiege der Verkehrsverstoß des Jugendlichen schwerer als der der Klägerin. Ihm gegenüber hätte der gesamte fließende Verkehr der Hauptstraße Vorrang, auch ein den Radweg in verkehrter Richtung benutzender Radfahrer. Das Mitverschulden der Klägerin trete allerdings nicht vollständig hinter das Verschulden des Jugendlichen zurück. Die Klägerin habe die Gefahrensituation voraussehen können, nachdem sie den Radweg vorsätzlich in der für sie nicht freigegebenen Fahrrichtung befahren habe. Ausgehend hiervon habe sie nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihr grundsätzliches Vorfahrtsrecht beachtet werde. Sie habe sich vielmehr auch auf dessen Missachtung einstellen müssen, zumal der Einmündungsbereich wegen Bewuchses nur schlecht einsehbar gewesen sei. Deswegen habe sie eine Fahrweise wählen müssen, bei der sie einem für sie von links kommenden Fahrzeug hätte ausweichen können. Es sei daher angemessen, ihr Mitverschulden mit 1/3 zu berücksichtigen (OLG Hamm, 26 U 60/13).

Mietwagen: Mehrkosten für Navi im Mietwagen sind zu erstatten

Mietwagen: Mehrkosten für Navi im Mietwagen sind zu erstatten

Ist im beschädigten Fahrzeug ein Navigationssystem (Navi) verbaut, darf der Geschädigte einen Mietwagen mit Navi anmieten. Das gilt auch, wenn dafür ein Mehrpreis berechnet wird.

Diese Entscheidung traf das Amtsgericht Erkelenz. In dem Fall hatte der Versicherer gemeint, ein Geschädigter müsse auch mal für ein paar Tage ohne Navi auskommen können. Das Gericht hat aber erkannt, dass derjenige, der sich seit langer Zeit mittels eines Navi leiten lässt, kein aktuelles Kartenmaterial mehr hat. Das müsse er erst kaufen, was ihm aber nicht zuzumuten sei (AG Erkelenz, 15 C 408/13).

Gutachten: Recht auf Schadengutachten erst recht bei altem Fahrzeug

Gutachten: Recht auf Schadengutachten erst recht bei altem Fahrzeug

Bei einem Fahrzeug, dessen Wiederbeschaffungswert (WBW) niedrig ist, ist ein Schadengutachten schon deshalb erforderlich, um in Abgrenzung zum WBW erkennen zu können, ob die Reparatur noch lohnt.

So entschied es das Amtsgericht Heidenheim im Fall eines Geschädigten, der einen 16 Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 250.206 km und mehreren Vorschäden fuhr. Bei einer Parkplatzkollision wurden der Stoßfänger und eine Blinkleuchte beschädigt. Der Geschädigte hatte ein Schadengutachten eingeholt. Der Versicherer verweigerte jedoch die Erstattung der Kosten. Er argumentierte, es liege ja nur ein Bagatellschaden vor. Auch sei das Gutachten unzutreffend, denn es habe Reparaturkosten in Höhe von 955,75 EUR prognostiziert, wohingegen die tatsächlich entstandenen Reparaturkosten nur 911,12 EUR (jeweils brutto) betragen hätten. Diese Argumente überzeugten das AG nicht. Es sprach dem Geschädigten die Kosten für das Gutachten zu. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass hinter einer großflächigen Eindellung des Stoßfängers weitere Schäden verborgen sein könnten. Das mache dem Laien eine eigenständige Abschätzung unmöglich (AG Heidenheim, 14 U 10/14).

Falschparker: Keine Pflicht zur Zahlung unangemessen hoher Abschleppkosten

Falschparker: Keine Pflicht zur Zahlung unangemessen hoher Abschleppkosten

Falschparker müssen dem Besitzer der Parkfläche keine unangemessen hohen Abschleppkosten erstatten.

Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall eines Pkw-Eigentümers, der seinen Wagen unberechtigt auf dem gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios abgestellt hatte. Dessen Betreiberin hatte mit einem Abschleppunternehmen einen Rahmenvertrag geschlossen. Danach war ein Pauschalbetrag von 250 EUR netto für das Entfernen eines Falschparkers vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Pkw-Eigentümer trat die Betreiberin des Studios an den Abschleppunternehmer ab. Dieser schleppte das Fahrzeug ab. Später teilte er der Ehefrau des Pkw-Eigentümers telefonisch mit, der Standort des Pkw werde bekannt gegeben, sobald ihm der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 EUR beglichen werde. Der Pkw-Eigentümer ließ den Abschleppunternehmer anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 EUR mitzuteilen. Dem kam der Abschleppunternehmer nicht nach. Erst nachdem der Pkw-Eigentümer den geforderten Betrag von 297,50 EUR beim Amtsgericht hinterlegt hatte, teilte ihm der Abschleppunternehmer den Standort des Fahrzeugs mit. Der Pkw-Eigentümer hält den geforderten Betrag für zu hoch. Das Amtsgericht hat im Ergebnis entschieden, dass er nur 100 EUR zahlen müsse. Das Landgericht hat die zu tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 EUR abgeändert.

Auf die Revisionen beider Parteien hat der BGH deutlich gemacht, dass der Grundstückseigentümer grundsätzlich unberechtigt parkende Fahrzeuge abschleppen lassen dürfe. Die Kosten hierfür müsse der Falschparker zahlen. Zu den erstattungsfähigen Kosten würden nicht nur die reinen Abschleppkosten gehören, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind. Das seien z.B. die Kosten durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen Besichtigung von innen und außen und die Protokollierung etwa vorhandener Schäden. Nicht zu erstatten seien hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadenersatzanspruchs des Besitzers, weil sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen. Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick auf unberechtigtes Parken müsse der Falschparker nicht ersetzen.

Die Ersatzpflicht des Falschparkers werde durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er habe nur die Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich sei, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede seien zu berücksichtigen. Dies müsse nun das Landgericht durch Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens klären (BGH, V ZR 229/13).

Aktuelle Gesetzgebung: Warnwestenpflicht ab 1. Juli 2014 in Deutschland

Aktuelle Gesetzgebung: Warnwestenpflicht ab 1. Juli 2014 in Deutschland

Spätestens ab 1. Juli 2014 muss in jedem Pkw eine Warnweste mitgeführt werden. Das sieht § 53a Abs. 2 Nr. 3 der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) vor. Die Warnweste muss orange-rot, orange oder gelb sein und über zwei reflektierende Streifen im unteren Bereich der Rück- und Vorderseite verfügen.

Hinweis: Es ist ratsam – auch wenn es nicht vorgeschrieben ist – weitere Warnwesten für Mitfahrer mitzuführen, die Westen im Fahrzeug griffbereit zu lagern und im Fall einer Panne oder eines Unfalls auch tatsächlich anzulegen.

Unfallschadensregulierung: Haftungsquoten beim ungeklärten Ablauf eines Kettenauffahrunfalls

Unfallschadensregulierung: Haftungsquoten beim ungeklärten Ablauf eines Kettenauffahrunfalls

Der durch das Auffahren des hinteren Fahrzeugs beim Vordermann verursachte Schaden kann bei einem Kettenauffahrunfall hälftig zu teilen sein, wenn der Ablauf der Zusammenstöße der beteiligten Fahrzeuge nicht mehr aufzuklären ist.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Kettenauffahrunfalls entschieden. Bei dem Unfall war die Beklagte mit ihrem Fahrzeug als letzte der an dem Unfall insgesamt beteiligten vier Fahrzeuge auf das vor ihr fahrende Fahrzeug des Klägers aufgefahren. Das Fahrzeug des Klägers erlitt neben dem durch das Auffahren der Beklagten verursachten Heckschaden durch eine Kollision mit dem ihm vorausfahrenden Fahrzeug auch einen Frontschaden. Im Prozess konnte nicht aufgeklärt werden, ob der Kläger zuerst auf das vor ihm fahrende Fahrzeug aufgefahren war und damit den Bremsweg für die ihm folgende Beklagte verkürzt hat. Möglicherweise wurde er mit seinem Pkw auch auf den vor ihm befindlichen Wagen aufgeschoben, als die Beklagte auf seinen Pkw auffuhr. Der Kläger meinte, der Beweis des ersten Anscheins spreche für die Unaufmerksamkeit der auffahrenden Beklagten. Daher verlangte er den 100-prozentigen Ersatz des an seinem Wagen entstandenen Heckschadens von ca. 5.300 EUR.

Die Richter am OLG sprachen ihm einen 50-prozentigen Schadenersatz zu. Er könne sich hier nicht auf einen Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden der auffahrenden Beklagten berufen. Dass ein Verschulden der Beklagten die Betriebsgefahr ihres Fahrzeuges erhöht habe, stehe nicht fest. Dies sei nicht bewiesen und ergebe sich nicht aus einem Beweis des ersten Anscheins. Zwar spreche bei gewöhnlichen Auffahrunfällen regelmäßig der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Auffahrende mit einem zu geringen Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug gefahren sei oder zu spät reagiert habe. Dieser Beweis des ersten Anscheins sei bei Kettenauffahrunfällen wie dem vorliegenden aber nicht anzuwenden. Der von dem Beweis des ersten Anscheins vorausgesetzte typische Geschehensablauf liege nicht vor, wenn nicht feststehe, ob das vorausfahrende Fahrzeug rechtzeitig hinter seinem Vordermann zum Stehen gekommen sei. In diesem Fall bestehe die Möglichkeit, dass der Vorausfahrende für den auffahrenden Verkehrsteilnehmer unvorhersehbar und ohne Ausschöpfung des Anhaltewegs „ruckartig“ zum Stehen gekommen sei, in dem er seinerseits auf seinen Vordermann aufgefahren sei. Da auch ein Verschulden des Klägers nicht feststehe, sei es gerechtfertigt, die Betriebsgefahr der Fahrzeuge der beiden Parteien gleich hoch zu bewerten. Daraus ergebe sich eine Haftungsteilung zu gleichen Teilen (OLG Hamm, 6 U 101/13).

Fahrradtour: Nachzügler müssen im Straßenverkehr selbst aufpassen

Fahrradtour: Nachzügler müssen im Straßenverkehr selbst aufpassen

Organisatoren einer als Gruppenfahrt veranstalteten Fahrradtour sind nicht verpflichtet, die für die Gruppe im Straßenverkehr ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auch für einzeln fahrende Nachzügler aufrechtzuerhalten.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines 20-jährigen Radfahrers entschieden. Dieser hatte an einer vom beklagten Schützenverein organisierten Fahrradtour der Jungschützen teilgenommen. Die in einer Gruppe fahrenden Teilnehmer wurden von Sicherungsposten begleitet, die größere, verkehrsträchtige Straßen absperrten und der Gruppe so ein gefahrloses Überqueren ermöglichten. Weil ein Teilnehmer eine Panne hatte, löste sich der Radfahrer von der Gruppe. Anschließend folgte er dieser dann alleine. Als er von einem Waldweg kommend eine übergeordnete Straße überquerte, stieß er mit einem Pkw zusammen, weil er dessen Vorfahrt nicht beachtet hatte. Er erlitt schwere Kopfverletzungen und befindet sich seit dem Unfall in einem komatösen Zustand. Er meint, der beklagte Verein habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Sicherungsposten hätten ihm das gefahrlose Überqueren der Straße nicht ermöglicht. Daher verlangt er unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 EUR.

Die Klage blieb vor dem OLG erfolglos. Die Richter konnten nicht feststellen, dass der Unfall auf einer dem beklagten Verein zuzurechnenden Pflichtverletzung beruhe. Der Verein habe die Radtour mit ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen und unter Berücksichtigung der einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften organisiert. Er sei nicht verpflichtet gewesen, dem Radfahrer als Nachzügler zu der vorausfahrenden Gruppe von Fahrrädern ein gefahrloses Überqueren der Straße zu ermöglichen. Für den Nachzügler habe sich eine veränderte Situation ergeben, nachdem er sich aus dem geschlossenen Verband der Fahrräder gelöst habe. Er habe nicht mehr darauf vertrauen können, dass ihm die für die Gruppe vorgesehenen Sicherungskräfte des Vereins ein gefahrloses Überqueren bevorrechtigter Straßen ermöglichen würden. Vielmehr hätten die Organisatoren darauf vertrauen dürfen, dass einzeln fahrende Nachzügler selbst auf das Einhalten der Verkehrsvorschriften achten würden (OLG Hamm, 6 U 80/13).

Belehrung: Unverwertbare Angaben nach Belehrungsverstoß

Belehrung: Unverwertbare Angaben nach Belehrungsverstoß

Wird der einer Unfallflucht verdächtige Fahrzeughalter bei einer Befragung nicht als Beschuldigter belehrt, sind seine Angaben gegenüber einem Polizeibeamten unverwertbar.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hin. Die Richter verlangten in ihrer Entscheidung eine frühzeitige Belehrung des „verdächtigen Fahrzeughalters“. Die Belehrung sei immer schon erforderlich, wenn der Fahrzeughalter als möglicher Täter in Betracht komme. Das sei der Fall, wenn er ggf. nicht mehr nur als „Auskunftsperson“ befragt werde, sondern als Beschuldigter, gegen den sich bereits ein Tatverdacht richtet. Werde die Belehrung unterlassen, bestehe für die Angaben des Befragten ein Beweisverwertungsverbot (OLG Nürnberg, 2 OLG Ss 113/13).

Führerscheinentzug: Durchsuchung nach Entziehung der Fahrerlaubnis

Führerscheinentzug: Durchsuchung nach Entziehung der Fahrerlaubnis

Die Tendenz, dass die Polizei bei allgemeinen und bei anlassbezogenen Verkehrskontrollen Führerscheine zunehmend überprüft, lässt das staatliche Interesse an der Abgabe eines Führerscheins nach Entzug der Fahrerlaubnis sinken. Daher kann eine Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung eines Führerscheins unverhältnismäßig sein.

So entschied es das Amtsgericht Elmshorn. Nach der Entscheidung ist eine Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung des Führerscheins dann unzulässig, wenn die Behörde zuvor als einzige Konsequenz aus der Nichtabgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld angedroht hat, eine Zwangsgeldfestsetzung aber bisher unterblieben ist (AG Elmshorn, 52 II 12/13).

Unfallschadenregulierung: Versicherer bearbeiten Bagatellunfälle auch ohne Polizeiprotokoll

Unfallschadenregulierung: Versicherer bearbeiten Bagatellunfälle auch ohne Polizeiprotokoll

Die Polizei erfasst rund 2,4 Millionen Verkehrsunfälle im Jahr. Bei über 80 Prozent der Unfälle entsteht ein kleinerer oder größerer Sachschaden. Tatsächlich dürften sich aber weit mehr Verkehrsunfälle auf Deutschlands Straßen ereignen. Denn nicht immer ist es zwingend erforderlich, die Polizei zur Unfallaufnahme zu rufen. Was viele nicht wissen: Der Versicherer verlangt bei Bagatellunfällen für die Schadenregulierung nicht zwingend eine polizeiliche Unfallaufnahme.

Wenn der Unfallschaden wenige hundert Euro nicht übersteigt, können die Beteiligten den Unfall also auch selbst dokumentieren und gemeinsam ein Unfallprotokoll anfertigen. Dieses sollte aber die gleichen Angaben enthalten wie ein Polizeiprotokoll. Am besten gelingt das mit dem Europäischen Unfallbericht. Den Europäischen Unfallbericht erhält man kostenlos bei seiner Kraftfahrtversicherung.

5 Tipps: Was bei einem Unfall auf jeden Fall notiert werden sollte:

  • Das amtliche Kennzeichen des Unfallgegners.
  • Namen und Adressen der beteiligten Fahrer. Die Unfallbeteiligten sollten sich die Ausweispapiere zeigen lassen und die Versicherungsgesellschaft und die Nummer des Versicherungsscheines notieren.
  • Ort und Zeit des Unfalles.
  • Namen und Adressen von Zeugen.
  • Sicher ist sicher: Fotos vom eigenen und vom gegnerischen Fahrzeugschaden machen. Die gesamte Unfallstelle von verschiedenen Standpunkten fotografieren und eine Unfallskizze anfertigen.

Ganz wichtig: Die Beteiligten müssen ihren Versicherer schnellstmöglich informieren und sollten niemals ein Schuldanerkenntnis abgeben.

Wurden Personen verletzt oder ist ein erheblicher Blechschaden entstanden, sollte immer die Polizei verständigt werden. Manchmal ist es auch schwierig zu beurteilen, wann eine Delle eine Delle bleibt und wann sie sich als größerer Schaden entpuppt. Im Zweifel sollte auch hier die Polizei dazu geholt werden. Vor allem, wenn man das Gefühl hat, dass irgendetwas nicht stimmt, Alkohol oder Drogen im Spiel sind oder der Unfallgegner versucht, einem die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Bei der Regulierung des Schadens ist man am besten bei seinem Anwalt aufgehoben. Das spart nicht nur Zeit und Nerven. Es hilft auch, gefährliche und kostspielige Fallen zu vermeiden.

Unfallschadenregulierung: Ausfahrt aus Grundstück als besonders gefährliches Fahrmanöver

Unfallschadenregulierung: Ausfahrt aus Grundstück als besonders gefährliches Fahrmanöver

Wer trotz eines herannahenden Fahrzeugs mit seinem Fahrzeug aus einer Grundstücksausfahrt auf die Fahrbahn einbiegt, um unmittelbar danach links abzubiegen, vollzieht ein besonders gefährliches Fahrmanöver. Auch nach Beendigung der Grundstücksauffahrt kann er für einen Zusammenstoß mit dem herannahenden und zum Überholen ansetzenden Fahrzeug allein verantwortlich sein.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden und einer Autofahrerin die alleinige Schuld an einem Verkehrsunfall gegeben. Diese war mit ihrem Pkw aus einer Grundstücksausfahrt nach links abgebogen, um nach etwa 14 m erneut nach links in die dortige Querstraße abzubiegen. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich der Kläger mit seinem Pkw in gleicher Fahrtrichtung. Beide Fahrzeuge kollidierten im Einmündungsbereich der Querstraße, als der Kläger den vor ihm auf die Straße gefahrenen Wagen der Beklagten überholen wollte.

Die Richter am OLG haben eine alleinige Haftung der Beklagten für den Verkehrsunfall bejaht. Ein Verschulden des Klägers an dem Zusammenstoß sei nicht festzustellen. Demgegenüber liege ein schwerwiegendes Verschulden der Beklagten vor, das ihre alleinige Haftung für den Verkehrsunfall begründe. Sie habe die beim Einfahren aus einer Grundstücksausfahrt geltenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen verletzt. Ihr Fahrmanöver sei anhaltend gefährlich gewesen, weil sie – obwohl sie den herannahenden Pkw des Klägers bemerkt habe – mit geringer Geschwindigkeit in die Fahrbahn eingebogen sei, um unmittelbar danach nach links abzubiegen. Dabei sei ihre Abbiegeabsicht für den nachfolgenden Verkehr nicht ohne Weiteres zu erkennen gewesen. Ihre verlangsamte Fahrweise habe auch auf eine gemächliche Einordnung in den fließenden Verkehr hinweisen können, das für den nachfolgenden Verkehr rechtzeitig erkennbare Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers habe sie nicht dargetan. Deswegen habe sie ihre Einfahrt auf die Fahrbahn bis zum Passieren des klägerischen Fahrzeugs zurückstellen oder sich besonders darüber vergewissern müssen, dass ihre Absicht links abzubiegen erkannt werde. Das habe sie versäumt und es zudem unterlassen, durch die zweite Rückschau unmittelbar vor Beginn des Abbiegevorgangs noch einmal auf den rückwärtigen Verkehr zu achten (OLG Hamm, 9 U 210/13).

Geschwindigkeitsüberschreitung: Betrunkener Fahrgast rechtfertigt keinen Verkehrsverstoß

Geschwindigkeitsüberschreitung: Betrunkener Fahrgast rechtfertigt keinen Verkehrsverstoß

Befürchtet ein Taxifahrer, dass sich ein betrunkener Fahrgast im Fahrzeug übergibt, rechtfertigt dies keinen Geschwindigkeitsverstoß, um schnellstmöglich eine Ausfahrt zu erreichen.

So entschied es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg im Fall eines Taxifahrers, der einen Bußgeldbescheid über 440 Euro und zwei Monate Fahrverbot erhalten hatte. Er hatte die dem Lärmschutz geschuldete nächtliche Geschwindigkeitsbeschränkung auf einer Autobahn um 64 km/h überschritten. Als Grund für die Raserei zur Oktoberfestzeit gab er an, er habe schnellstmöglich die nächste Ausfahrt erreichen wollen. Damit habe er verhindern wollen, dass sich ein betrunkener Fahrgast im Taxi übergibt. Der Amtsrichter, der nach Einspruch des Verkehrssünders über den Fall zu befinden hatte, zeigte Verständnis und sprach den Fahrer wegen eines „rechtfertigenden Notstands“ frei.

Zu Unrecht entschied das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg und gab damit einer Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft statt. Dem Urteil des Amtsrichters sei bereits nicht zu entnehmen, ob durch schnelles Fahren überhaupt hätte verhindert werden können, dass der Fahrgast sich übergibt – bekanntlich ein Reflex, der sich einer willentlichen Beeinflussung entziehe und nicht verzögert werden könne. Auch sei nicht ersichtlich, ob nicht andere Mittel vorhanden gewesen seien, um eine Verunreinigung des Taxis abzuwehren, etwa vorhandene Brechtüten, wie sie in Flugzeugen üblich seien. Schließlich sei es fehlerhaft, wenn das Amtsgericht bei der Interessenabwägung der Sicherheit der Fahrgäste den Vorzug vor dem Lärmschutz eingeräumt habe, denn die Sicherheit der Fahrgäste sei gar nicht tangiert gewesen. Vielmehr hätte zwischen einer zu befürchtenden Verunreinigung des Taxis einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der Verkehrsregeln sowie dem Schutz der Anwohner vor nächtlicher Lärmbelästigung andererseits abgewogen werden müssen. Und hier sah das Oberlandesgericht keinen Grund, dem Interesse des Taxifahrers an einem sauberen Fahrzeug ein wesentliches Überwiegen zuzubilligen. Beförderungspflicht hin oder her: Ein Taxifahrer handele gegen seine eigenen Interessen, wenn er zur Oktoberfestzeit erkennbar betrunkene Gäste aufnehme, ohne Vorsorge für den „Notfall“ etwa durch Bereithalten von Brechtüten getroffen zu haben. Ein Verkehrsverstoß sei unter diesen Umständen nicht gerechtfertigt, befanden die Bamberger Richter und hoben das Urteil des Amtsgerichts auf. Dieses muss nun neu entscheiden (OLG Bamberg, 3 Ss OWi 1130/13).

Ordnungswidrigkeit: Minisattelzug unter 7,5 t fällt nicht unter das Sonntagsfahrverbot

Ordnungswidrigkeit: Minisattelzug unter 7,5 t fällt nicht unter das Sonntagsfahrverbot

Ein Minisattelzug unter 7,5 t fällt nicht unter das Sonntagsfahrverbot.

Das ist das Ergebnis eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens vor dem Amtsgericht Siegen. Betroffen war ein Lkw-Fahrer, der einen Minisattelzug an einem Sonntag gefahren hatte. Gegen den hierfür erlassenen Bußgeldbescheid konnte er erfolgreich vor Gericht vorgehen. Das Amtsgericht erläuterte in seiner Entscheidung noch einmal die Vorschriften zum Sonntagsfahrverbot nach der Straßenverkehrsordnung. Danach dürfen Lkw über 7,5 t sowie Lkw, die einen Anhänger führen, unabhängig von ihrem Gewicht an Sonntagen nicht im öffentlichen Straßenverkehr genutzt werden. Ein Sattelzug wird dabei wie ein Lkw ohne Anhänger behandelt. Wiegt er unter 7,5 t, darf er sonntags genutzt werden. Unerheblich ist dabei die Bezeichnung als Sattelanhänger, da kein technischer Unterschied zwischen Sattelauflieger und Sattelanhänger besteht (AG Siegen, 431 OWi 851/12).

Aktuelle Gesetzgebung: Zum 1. Juni gilt in Österreich ein neues Gesetz für Lastkraftwagen

Aktuelle Gesetzgebung: Zum 1. Juni gilt in Österreich ein neues Gesetz für Lastkraftwagen

Ab dem 1. Juni 2014 gilt in Österreich ein generelles Fahrverbot für Lastkraftwagen über 7,5 Tonnen auf dem jeweils ganz linken Fahrstreifen von drei- oder vierspurigen Autobahnen.

Der österreichische Autobahnbetreiber ASFINAG erwartet sich von dem neuen Gesetz mehr Verkehrssicherheit. Denn auf der dritten und vierten Spur von Autobahnen ist zuletzt die Zahl der Unfälle mit Beteiligung des Schwerverkehrs stark angestiegen. Auf zweispurigen Autobahnen und Schnellstraßen gibt es keine gesetzlichen Änderungen.

Haftungsrecht: Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms

Haftungsrecht: Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms

Erleidet ein Fahrradfahrer bei einem fremdverschuldeten Unfall schwere Kopfverletzungen, weil er keinen Helm getragen hat, muss er sich kein Mitverschulden anrechnen lassen.

Diese wichtige Aussage traf der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall einer Radfahrerin, die ohne Fahrradhelm unterwegs war. Als sie auf einer innerstädtischen Straße an einem Pkw vorbeifuhr, öffnete die Fahrerin unmittelbar vor ihr von innen die Fahrertür. Die Radfahrerin konnte nicht mehr ausweichen, fuhr gegen die Fahrertür und stürzte zu Boden. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, zu deren Ausmaß das Nichttragen eines Fahrradhelms beigetragen hatte. Die Radfahrerin nimmt die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherer auf Schadenersatz in Anspruch. Das Oberlandesgericht hat ihr ein Mitverschulden von 20 Prozent angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führe entgegen der Auffassung des OLG nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar könne einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein. Das sei der Fall, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein habe es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm.

Hinweis: Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden. Die Entscheidung gilt als nicht für Rennradfahrer (BGH, VI ZR 281/13).

Mehrwertsteuer: MwSt bei Ersatzkauf auch aus Überführungskosten

Mehrwertsteuer: MwSt bei Ersatzkauf auch aus Überführungskosten

Kauft der Geschädigte nach einem Unfallschaden einen Neuwagen und setzt sich dessen Preis aus dem Kaufpreis zuzüglich Überführungskosten zusammen, ist im Haftpflichtfall auch die auf die Überführung entfallende Mehrwertsteuer zu erstatten.

So entschied es das Landgericht (LG) Duisburg im Fall eines Unfallgeschädigten, der sein Fahrzeug unrepariert verkaufte. Er rechnete also im ersten Arbeitsgang die Reparaturkosten oder den Wiederbeschaffungswert (WBW) fiktiv ab. Dann kaufte er ein Neufahrzeug. Anschließend verlangte er die aufgewendete Mehrwertsteuer bis zur Höhe der in den Reparaturkosten oder dem WBW enthaltenen Mehrwertsteuer nach.

Die Besonderheit in dem Fall war, dass der Geschädigte einen von vorneherein sehr preiswerten Ersatz gekauft hat, der als Tageszulassung abermals billiger war. Die Mehrwertsteuer aus dem puren Kaufpreis überstieg daher nicht die aus dem WBW. Die Überführungskosten sind im wirtschaftlichen Ergebnis aber ein Teil des Geldes, das für die Ersatzbeschaffung aufgewendet werden musste. Die darin enthaltene Mehrwertsteuer ist also ebenfalls zu erstatten (LG Duisburg, 12 S 153/13).

Parkhaus: Wer sich beim Einparken nur auf die Rückfahrkamera verlässt, ist verlassen

Parkhaus: Wer sich beim Einparken nur auf die Rückfahrkamera verlässt, ist verlassen

Wer in einem Parkhaus rückwärts einparkt, darf sich nicht allein auf seine Rückfahrkamera verlassen. Er muss sich die Örtlichkeiten vielmehr vorher selbst ansehen und nach Hindernissen schauen.

So entschied es das Amtsgericht Hannover im Fall eines Jaguarbesitzers. Dieser hatte die Eigentümergesellschaft eines Parkhauses auf Schadenersatz verklagt. Er hatte geltend gemacht, dass seine Ehefrau mit seinem Jaguar rückwärts in einen Parkplatz habe einparken wollen. Sie habe hierbei die gesamte Zeit auf das Bild der Rückfahrkamera geachtet. Darin sei kein Hindernis angezeigt worden. Hierbei sei sie gegen eine Metallstange gefahren, die in den Parkraum geragt habe. Die Höhe der Rückfahrsensoren habe das Hindernis nicht erfassen können. Am Kofferraum des Jaguars sei ein Schaden von 2027,51 EUR entstanden. Dieser Betrag werde als Schadenersatz geltend gemacht.

Das Gericht hat festgestellt, dass durch das Parkhaus keine Verkehrssicherungspflichten verletzt wurden. Die geltend gemachte Gefahrenquelle, ein mit Metallstreben befestigter Lüftungsschacht, wurde durch die Beklagte mit einem rot-weißen Klebeband hervorgehoben. Diese Kennzeichnung genüge, um auf die Gefahr hinzuweisen (Amtsgericht Hannover, 438 C 1632/14).

Fahrverbot: Augenblicksversagen bei Geschwindigkeitsüberschreitung

Fahrverbot: Augenblicksversagen bei Geschwindigkeitsüberschreitung

Die Verurteilung zu einer Geldbuße wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung ist rechtswidrig, wenn das Gericht ein Augenblicksversagen ohne ausreichende Feststellungen verneint hat.

So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg. Die Richter erläuterten in ihrer Entscheidung, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein sogenanntes Augenblicksversagen einem Fahrverbot grundsätzlich entgegenstehe. Davon sei bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auszugehen, wenn der Betroffene aufgrund einer momentanen Unaufmerksamkeit das die zulässige Höchstgeschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen übersehen habe. Davon sei hier auch das Amtsgericht als Vorinstanz grundsätzlich ausgegangen. Es habe aber dennoch ein Augenblicksversagen abgelehnt, weil sich dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der starken Fahrbahnschäden habe aufdrängen müssen. Das hat dem OLG so nicht gereicht. Für einen solchen Schluss müsse vielmehr klar sein, wie erheblich die Fahrbahnschäden sind. Dazu müssten Feststellungen getroffen werden. Soweit die Fahrbahnschäden nicht bereits bei Annäherung für den Betroffenen sichtbar gewesen seien, müsse die Wegstrecke auf dem schlechten Untergrund auch eine gewisse Länge haben. Für ein nur kurzes Streckenstück könne sich sonst eine Geschwindigkeitsbegrenzung ohnehin nicht aufdrängen (OLG Oldenburg, 2 SsBs 280/13).

Parkverstoß: Parkverbote an Elektroladestationen gelten auch ohne Rechtsgrundlage

Parkverstoß: Parkverbote an Elektroladestationen gelten auch ohne Rechtsgrundlage

Aus einem an einer Elektroladestation aufgestellten Parkplatzschild und dem Zusatzschild „Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs“ ergibt sich ein Parkverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Das Parkverbot ist zu beachten, auch wenn es ohne Rechtsgrundlage angeordnet wurde.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Fall eines Autofahrers entschieden, der seinen VW Golf mit Verbrennungsmotor auf einem Parkstreifen geparkt hatte. Dabei hatte er einen Abstellplatz benutzt, an dem kurz zuvor eine Elektroladestation installiert worden war. Dort stand ein Parkplatzschild mit dem Zusatzschild „Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs“. Die gegen ihn wegen Parkverstoßes verhängte Geldbuße von 10 EUR zahlte der Autofahrer nicht. Er war der Ansicht, die das Parken für Fahrzeuge ohne Elektromotor einschränkende Beschilderung des Abstellplatzes sei ohne Rechtsgrundlage aufgestellt worden.

Vor dem Amtsgericht Essen hatte er mit der Argumentation Erfolg. Das OLG hob die Entscheidung jedoch auf und verurteilte ihn wegen eines vorsätzlichen Parkverstoßes zu einer Geldbuße von 10 EUR. Die Richter neigten zwar zu der Auffassung, dass das geltende Straßenverkehrsrecht keine Rechtsgrundlage für die angebrachte Beschilderung bzw. die Einrichtung sog. Elektroladeplätze im öffentlichen Verkehrsraum bereithalte. Sie konnten diese Frage im vorliegenden Fall aber offenlassen. Nach ihrer Ansicht habe der Autofahrer die angebrachte Beschilderung auch dann beachten müssen, wenn es für sie keine Rechtsgrundlage gebe. Aus der Beschilderung ergebe sich ein Parkverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, weil das Parken nur Elektrofahrzeugen während des Ladevorgangs gestattet sei. Die Beschilderung sei ein Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung. Auch wenn eine gesetzliche Grundlage fehle, sei diese in der Regel wirksam, wenn sie von der zuständigen Behörde aufgestellt worden sei. Sähe man das anders, würde es auf dem Gebiet der Verkehrsregelungen zu unerträglichen Beeinträchtigungen der Verkehrssicherheit kommen, weil man es dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überließe, Verkehrszeichen allein deswegen zu missachten, weil er ihre Aufstellung für anfechtbar halte (OLG Hamm, 5 RBs 13/14).

Ausfallschaden: Überlegungszeit von bis zu drei Tagen nach Gutachteneingang

Ausfallschaden: Überlegungszeit von bis zu drei Tagen nach Gutachteneingang

Der Geschädigte darf zunächst den Eingang des Gutachtens abwarten, danach darf er in Ruhe überlegen, ob er reparieren lässt oder Ersatz beschafft. Diese Überlegungszeit darf bis zu drei Tage dauern.

Hierauf wies das Oberlandesgericht (OLG) Celle hin. Die Summe aus der Wartezeit auf das Gutachten und der Überlegungszeit muss der Reparatur- oder Wiederbeschaffungsdauer zugeschlagen werden. Da ist sich die Rechtsprechung einig.

Hinweis: Unterschiedlich wird nur gesehen, wie lange der Geschädigte überlegen darf. Die drei Tage, die das OLG als Obergrenze zieht, sind durchaus im Trend der Rechtsprechung (OLG Celle, 5 U 159/13).

Unfallschadensregulierung: Reinigungskosten rund um die Lackierung sind erstattungsfähig

Unfallschadensregulierung: Reinigungskosten rund um die Lackierung sind erstattungsfähig

Reinigt der Reparaturbetrieb die zu lackierenden Flächen vor der Lackierung, um den Farbton zu bestimmen und hinterher, um „Farbstaub“ zu entfernen, sind die dafür entstandenen Kosten bei Haftpflichtschäden erstattungsfähig.

So urteilte das Amtsgericht Geldern in einem Fall, in dem der Versicherer bei der Unfallregulierung 46,41 EUR nicht erstatten wollte. Er berief sich unter anderem darauf, dass die Lackierung von der Werkstatt fremdvergeben wurde. Und er bestritt, dass die Reinigung notwendig war. Auf alles das kommt es nicht an, urteilte das Gericht. Denn der Ersatzanspruch des Geschädigten erstrecke sich sogar auf Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstatt verursacht worden sind. Also komme es auf die objektive Notwendigkeit nicht an (AG Geldern, 4 C 119/14).

Unfallschadensregulierung: Wertminderung auch für zwölf Jahre altes Fahrzeug

Unfallschadensregulierung: Wertminderung auch für zwölf Jahre altes Fahrzeug

Auch ein zwölf Jahre altes und bisher unfallfreies Fahrzeug verliert durch einen reparierten Unfallschaden an Wert. Der Sachverständige darf daher in seinem Gutachten eine Wertminderung ansetzen.

So entschied es das Amtsgericht Rostock. Es ging um einen gepflegten zwölf Jahre alten Pkw mit einer ungewöhnlich niedrigen Laufleistung von 46.040 km und einem Wiederbeschaffungswert von 2.900 EUR. Bei Reparaturkosten von etwa 1.660 EUR hat der Sachverständige die Wertminderung auf 150 EUR geschätzt. Dem ist das Gericht gefolgt (AG Rostock, 55 C 22/14).

Autokauf: Wann ist ein Fahrzeug noch scheckheftgepflegt?

Autokauf: Wann ist ein Fahrzeug noch scheckheftgepflegt?

Ist ein Fahrzeug auch scheckheftgepflegt, wenn vorgeschriebene Intervalle (alle zwei Jahre) wie zum Beispiel Öl- oder Bremsflüssigkeitswechsel um circa zwei bis drei Jahre überzogen wurden, wenn seit dem letzten Kundendienst, der vor rund fünf Jahren erfolgte, gerade einmal circa 8.000 km gefahren wurden? Unsere Antwort auf diese Frage eines Mandanten lautet „Nein“.

Antwort: Mit der Angabe „scheckheftgepflegt“ erklärt der Verkäufer (auch ein Kfz-Händler), dass die vorgeschriebenen Inspektions- und Wartungstermine im Wesentlichen eingehalten worden sind. „Im Wesentlichen“ heißt so viel wie „im Großen und Ganzen“, also nicht lückenlose Durchführung aller Termine zur vorgeschriebenen Zeit bzw. zum vorgesehenen km-Stand. Andererseits ist auch klar: Größere Wartungsschlampereien sind mit „scheckheftgepflegt“ nicht vereinbar.

Bezogen auf die Eingangsfrage bedeutet das: Sind die vorgeschriebenen Intervalle ausschließlich nach Zeitabständen fällig, also unabhängig von den inzwischen gefahrenen km (Beispiel: Ölwechsel alle zwei Jahre), dann ist eine Überziehung um zwei bis drei Jahre mit der Zusage „scheckheftgepflegt“ nicht mehr zu vereinbaren, die Zusage ist also falsch. Das Argument „nur zirka 8.000 km gefahren“ sticht nicht, wenn der Hersteller ausschließlich auf den Zeitfaktor abgestellt hat. Ob das sachlich gerechtfertigt ist oder nicht, ist an dieser Stelle kein Thema. Entscheidend ist die Herstellervorgabe.

 

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